Laubholzmisteln in Streuobstbeständen

Mistelsträuße oder -kugeln erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in der Bevölkerung, besonders in der Vorweihnachtszeit. Dann werden die Laubholzmisteln geschnitten, zu Sträußen gebunden und als Glücksbringer an die Haustüre gebunden. Der Name der Weißbeerigen Mistel (Viscum album ssp. album) leitet sich aus dem lateinischen Namen Viscum = Vogelleim und albus = das Weiß der Beeren ab.

Ökologie in Streuobstwiesen
Die vorkommende Laubholzmistel an Obstbäumen im Streuobstanbau gehört wie viele Vogelarten, Insekten, Kleinsäuger und Fledermäuse zum Ökosystem „Streuobstwiese“.
In einer Streuobstwiese kommen bis zu fünftausend Pflanzen- und Tierarten vor. Der Artenreichtum macht diesen Lebensraum so wertvoll.

Verschiedene Mistelarten
Tannen-Mistel: Vorkommen auf Weißtanne; fehlt bei uns in Rheinland-Pfalz
Kiefern-Mistel: Vorkommen auf Kiefern, teilweise auf Fichten. Gilt als gefährdet.
Laubholz-Mistel: Vorkommen an Apfel und Birne, sowie an Laubgehölzen wie z. B. Pappel, Weide, Birke, Haselnuss, Robinie, Linde, Ahorn.

Rechtliche Situation
Irritationen kamen in der Vergangenheit häufiger auf, weil es Behauptungen gab, die Laubholzmistel stünde unter Naturschutz. Sie steht zwar auf der Roten Liste, aber für Rheinland Pfalz liegt keine Gefährdung vor.
Da also diese Mistelart in Rheinland-Pfalz nicht gefährdet ist und somit zurzeit keinem Schutz unterliegt, kann ein Ausschneiden am Baum jederzeit erfolgen. Dies muss auf freiwilliger Basis geschehen. Es gibt keine rechtliche Handhabe, Grundstücksbesitzer zum Ausschneiden zu verpflichten. (Nachfolgend wird die Laubholzmistel im Text nur Mistel genannt.)

Biologie
Die zweihäusige Mistel (männliche und weibliche Pflanzen) wächst als immergrüner Strauch vorwiegend auf Laubbäumen. Über ein spezielles Verankerungssystem (Haustorien, vergleichbar den Wurzeln) entzieht die als Halbschmarotzer bezeichnete Pflanze dem Baum Wasser und Nährstoffe.
Die Blütezeit der relativ unscheinbaren Blüte reicht von Februar bis April. Die weißen Früchte sind botanisch gesehen runde ein- bis zweisamige Scheinbeeren. Mit ihren immergrünen, lederartigen Blättern ist die Pflanze aber auch in der Lage, eigenständig Photosynthese zu betreiben (darum Halbschmarotzer).
Das Wachstum ist beträchtlich. Über einen längeren Zeitraum können die Misteln zu kugeligen Büschen heranwachsen, die einen Durchmesser von bis zu 1 Meter haben können. Bei starkem Besatz erscheinen die laubabwerfenden Gehölze im Winter nahezu „vollbelaubt“.

Verbreitungsweise
Meist entwickeln sich die Halbschmarotzer in den ersten Jahren recht langsam, unscheinbar und unbeachtet. Die weißlichen Beeren reifen im Dezember und bilden für Vögel, insbesondere verschiedene Drosselarten, eine willkommene Nahrungsquelle. Über diesen Weg findet auch die Verbreitung statt.
Umgeben von zähem Schleim (daher der Name „Weißer Vogelleim“) sorgen die Keimlinge, vom Vogel am Wirtsbaum abgestreift oder mit dem Kot ausgeschieden, dafür, dass die Pflanze ihre Saugwurzeln schnell in das Holz einwachsen lassen kann.
Oftmals findet aber auch eine vertikale Verteilung von oben nach unten im Baum statt.

Problem: Fehlende Altbaumpflege in Streuobstwiesen
Die Streuobstbestände in Rheinland-Pfalz sind häufig überaltert. Aufgrund der ungünstigen Marktbe- dingungen für Obst aus Streuobstwiesen werden diese Bäume oft nur sporadisch oder überhaupt nicht gepflegt.
Dies führt zur Vergreisung und vor allem zur Schwächung der Streuobstbäume; ganz zu schweigen von der mangelnden Qualität des Obstes. Beim Obstbaumschnitt wurde früher die Mistel immer gleich mit entfernt. Bedingt durch die Nicht-Pflege können sich die Misteln ungehindert verbreiten. Die ohnehin geschwächten Bäume werden durch den Befall noch mehr geschwächt.

Entfernen der Laubholzmistel bei Streuobstbäumen muss sein!
Über Nährstoffentzug schädigt die Mistel die Wirtspflanze mit der Folge, dass der betroffene Bereich des Baumes im weiteren Verlauf nur unzureichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt wird und später abstirbt. Ganze Streuobstbestände drohen in manchen Regionen wegen Nicht-Pflege und Mistelbefall zusammenzubrechen. Ein Problem sind u.a. nicht gepflegte Streuobstbäume auf Nachbarflächen, von denen die Mistelsamen von Vögeln auf andere Bäume übertragen werden. Ein ähnlicher Befallsdruck geht vor allem von besiedelten Pappelbeständen aus.
Bei aller Problematik darf nicht vergessen werden, dass die Mistel zahlreichen Vogel und Insektenarten zur Ernährung dient und die Biodiversität fördert. Einzelne Misteln wirken bereichernd, starker Befall kann hingegen zerstören!

Obstbaumschnitt - Zeitpunkt
In der vegetationslosen Zeit werden die Misteln meist erst aktiv wahrgenommen, wenn sie sattgrün auf unbelaubten Bäumen sitzen.
Bislang werden Misteln meist nur von „Sammlern“ zur „Brauchtumspflege“ entnommen.
Es wird dringend empfohlen, dass Grundstücksbesitzer, sofern sie am Erhalt ihrer Streuobstbäume interessiert sind, befallene Partien aus den Bäumen herausschneiden.
Dadurch wird auch das Samenpotential minimiert. Obwohl mitunter im Tafelobstanbau zu finden, ist die Mistel hier wegen der alljährlich erforderlichen und gezielten Schnittmaßnahmen kein Thema.
Wer also weiterhin Streuobst als ökologische Bereicherung, aber auch als regionales und gesundes Lebensmittel nutzen möchte, sollte die Mistel unabhängig von der Jahreszeit ausschneiden. In der „blattlosen“ Zeit sieht man die Mistel allerdings am besten.

Was ist zu tun?
  • Schon jüngere Bäume öfter kontrollieren und ausschneiden.
  • Altbaumpflege regelmäßig durchführen;vor allem in Befallsregionen auf die Mistel achten und beim Obstbaumschnitt entfernen.
  • Nicht die Mistel ist das eigentliche Problem, sondern die oft fehlende Obstbaumpflege in Streuobstwiesen.
  • Aus fachlicher Sicht macht die alleinige Mistelbekämpfung keinen Sinn. Der gesamte Altbaum muss eine fachgemäße Pflege bzw. einen Schnitt erfahren, damit Streuobstwiesen nachhaltig gesichert werden können.
Weitere Informationen zur Streuobstpflege:
Merkblatt „Altbaumpflege und Sanierungsschnitt im Streuobstanbau“
Autoren:
  • Werner Ollig, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Gartenakademie Rheinland-Pfalz, 67435 Neustadt/Weinstraße
  • Franz-Josef Scheuer, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz Kompetenzzentrum Gartenbau, 54295 Trier
  • Johann Schierenbeck, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Landwirtschaft und Umwelt, 55529 Bad Kreuznach
  • Ludwig Simon, Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG), Kaiser Friedrich – Straße 7, 55116 Mainz

Stand: Januar 2013 Bildquelle: DLR-RNH

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